Die Tücken und Hürden der Selbständigkeit

Die Tücken und Hürden der Selbständigkeit

Mich erreichte vor einigen Tagen ein interessanter Leserbrief, eingereicht unter dem Pseudonym „Hooks MacVast“. Er erzählt über seinen Werdegang zum Selbständigerwerbenden und dessen Tücken und Hürden, welche man auf seinem Weg antrifft. Da ich in einer ähnlichen Situation bin und ebenfalls mit der Zeit vollständig Selbständig werden möchte, zeigt mir das auf wie wichtig eine gute Vorbereitung ist. Zur Info das RAV ist das Schweizer Arbeitslosenamt. Ich möchte euch den Leserbrief nicht vorenthalten, lest selbst.

2003. Die Entlassungswelle im Informatiksektor der Schweizer Grossbank, wo ich seit 1987 angestellt war, machte mich arbeitslos. Als mittelalterlicher sogenannter „EDV Generalist“ war es so ziemlich das Dümmste, was mir passieren konnte. Allrounder und Generalisten waren alles andere als gefragt in der Informatik. Zudem war es nicht gerade hilfreich, dass ich zwar 16 Jahre lang in den verschiedensten Abteilungen gearbeitet hatte, aber in einer Grossbank – mit eigenwilliger, proprietärer Informatik.

 

Während meiner viermonatigen Kündigungsfrist musste ich nicht mehr arbeiten, konnte aber die Infrastruktur der Bank (Arbeitsplatz, PC, etc.) nutzen, um eine neue Stelle zu finden. Schon damals spielte ich mit dem Gedanken, mich eventuell selbständig zu machen und fragte bei der Personalabteilung diesbezüglich nach. Das Angebot, dass man mir damals unterbreitete war gelinde gesagt peinlich und schlichtweg inakzeptabel: 50’000 Franken und der Verzicht auf die Möglichkeit, Arbeitslosengeld zu beziehen. Ich rechnete nach: 4 Monate Gehalt, das ich sowieso zu gut hatte, ergaben bereits ca. 34’000 Franken. Konkret bot man mir also 16’000 Franken an.

 

Ich lehnte ab und ging vier Monate später zur RAV stempeln.

 

Während meiner 18 Monate Jobsuche schickte mich die RAV brav nach Schema „F“ in die verschiedensten Kurse, die zwar alle gut gemeint waren, den Steuerzahler viel Geld kosteten, aber letztendlich nichts brachten. Mir war das von Anfang an klar, ich konnte die Betreuer bei der RAV aber nicht davon überzeugen, das Geld besser zu verwenden. Der damalige Arbeitsmarkt bot 15 bis 20 Jahre jüngeren Bewerbern mit gleicher Qualifikation unendlich mehr Chancen, und ich wusste, dass meine Zukunft nicht in der Informatik liegen konnte.

 

Relativ früh informierte ich mich über eventuelle Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung durch den Staat, wenn ich mich selbständig machen würde. Da meine Frau im Juli 2004 ihren eigenen kleinen Laden eröffnet hatte und wir gemeinsam das Geschäft langsam aufbauten, wollte ich dort einsteigen. Die lapidare Absage der RAV war, dass ich mich mit einem eigenen Geschäft selbständig machen müsse und nicht in ein bereits bestehendes einsteigen könne. Na toll, einfach super.

 

Ich fuhr also fleissig mit meiner Jobsuche fort, befand mich aber mit halbem Herzen bereits im gemeinsamen Laden. Ich erstellte mit Unterstützung von Freunden eine Webseite für das Geschäft, half beim Verkauf und allen anderen Aufgaben mit. So wurde ich zumindest im Geiste „selbständig“, auch wenn mir vom Staat der offizielle Status und die finanzielle Unterstützung verweigert wurden. Man schickte mich lieber weiter in unnütze Kurse.

 

Kurz nach meiner Aussteuerung im Frühling 2005 erhielt ich durch einen glücklichen Zufall eine 60% Anstellung in einem Zürcher Comicshop. Ich unternahm einen zweiten Anlauf und meldete mich als „Selbständiger im Nebenerwerb“ an, wobei ich klar deklarierte, dass ich eine Teilzeitstelle als Angestellter hatte. Damit mein Pensionskassenkapital ausgezahlt wurde, musste ich allerdings einen Handelsregistereintrag vorweisen und gründete deshalb eine Firma, die sich mit dem An- und Verkauf von Comics beschäftigte. Ich tat mit meiner Frau im gemeinsamen Geschäft ja nichts anderes.

 

Hier musste ich wieder feststellen, dass man als angehender selbständig Erwerbender ständig Hindernisse überwinden muss und dem Willen und Unwillen staatlicher Beamten ausgeliefert ist. Tu es nicht logisch und vernünftig, tu es so, wie es gewünscht wird, auch wenn’s keinen Sinn macht. So in etwa das Vorgehen. Nach einigem Hin-und-Her wurde meine Pensionskasse ausbezahlt und ich konnte einen Teil des Geldes für unser gemeinsames Geschäft nutzen, der Rest ernährte meine Familie in den ersten Aufbaujahren. Nebenbei arbeitete ich teilzeit etwa 5 Jahre lang in besagtem Comicshop. Den Status als „Selbständiger im Nebenerwerb“ gab ich wieder auf, weil es gemäss Angaben der AHV nicht notwendig war und ich durch meine Teilzeitstelle genügend Beiträge entrichtete.

 

Inzwischen ist aus der Teilzeitstelle ein winziger Nebenjob geworden, kaum noch 2 Tage monatlich, und ich arbeite praktisch vollzeit im Laden meiner Frau. Offiziell „selbständig“ bin ich auch heute noch nicht, obwohl ich alle Kriterien theoretisch und praktisch erfülle. Allerdings musste ich mich inzwischen als „Nichterwerbstätiger“ anmelden, weil sonst die bezahlten AHV-Beiträge unter dem Minimum liegen.

 

Also nochmals zusammenfassend: Ich bin ein selbständiger Nichterwerbstätiger, der 100% arbeitet, offiziell aber nicht selbständig erwerbend ist. Alle Klarheiten beseitigt? Gut.

Alle oben erwähnten Hindernisse fallen natürlich weg, wenn man genügend Startkapital besitzt, sich mit einer guten Geschäftsidee selbständig zu machen, und wenn wirklich genug Geld vorhanden ist, um sich in der Aufbauzeit (beim Laden meiner Frau waren das gut 2 Jahre) über Wasser zu halten. Wenn man aber wie ich aus der Not heraus gezwungen war, in die Selbständigkeit zu gehen, dann lernt man das Irr- und Wirr-Labyrinth der staatlichen Maschinerie kennen, die einem stets Felsbrocken in den ohnehin steinigen Weg legt. (Wenn ich zum Beispiel an den sinnlosen 14’000 Franken teuren Informatik-Kurs denke, den man mir aufzwang, muss ich heute noch den Kopf schütteln. Das Geld hätte auf jeden Fall sinnvoller eingesetzt werden können …)

 

Auf einen Nenner gebracht: Hast du genug Kohle und eine gute Idee, womöglich eine interessante Marktlücke gefunden, dann nichts wie rein in die Selbständigkeit! Probleme hast du nur, wenn du keine Kohle hast. Dann viel Spass beim Beamten-Spiessrutenlauf und dem Formularkrieg!

Bleibt noch anzumerken, dass man mit dem Einstieg in die Selbständigkeit aus der obligatorischen BVG-Pflicht herausfällt. Bei meiner Frau und mir reichte es einfach nie, um auch noch Gelder in eine freiwillige 2. Säule einzuzahlen.

 

So, das war der finanzielle Aspekt.

 

Es gibt aber auch eine „emotionale“ Hürde. Wenn man wie ich gezwungenermassen „selbständig“ wird, drängen sich vor allem zu Beginn existentielle Ängste und Sorgen auf. Kann ich genug Geld verdienen, um die monatlichen Fixkosten zu zahlen? Reicht es fürs Essen? Kann meine Familie davon leben? Diese Sorgen waren zu Beginn sehr stark im Vordergrund, lösten sich aber ziemlich bald auf. Eine neue Art Lebensgefühl überkam mich schon nach den ersten Monaten. Ich begann, in anderen Bahnen zu denken. Ich lebe heute intensiver und arbeite genauer und aufmerksamer. Schliesslich tue ich es für mich und nicht als Angestellter für jemand anderen. Das gesamte übertriebene Sicherheitsdenken unserer Wohlstandsgesellschaft erscheint auf einmal nicht mehr so wichtig. Ich weiss kleinere Dinge besser zu schätzen. Ich fühle mich freier, lebendiger und entspannter. Selbständig eben.

Hooks MacVast

PS: Ich wünsche Ihm alles Gute und vielen Dank für den Leserbrief.

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Thomas der Sparkojote

 

3 Responses

  1. Solche Geschichten machen zum einen traurig, dass unglaublich viel Geld für unnütze Maßnahmen rausgehauen wird (ist in Deutschland genauso) und es in keiner Form eine vernünftige Unterstützung gibt. Das lehrt einen auch wie wichtig das eigene Vermögen ist, sodass man in einer solchen Situation nicht von anderen Menschen und Organisationen abhängig ist. Leider ist das Primärinteresse von Arbeitsämter durch deren Struktur nicht den Menschen zu Arbeit zu verhelfen. Das würde schließlich deren Existenz in Frage stellen, weil sie ohne die Verwaltung von Arbeitslosen ja nicht mehr gebraucht werden würden.

    Schöne Grüße
    Dominik

    Auf der anderen Seite ist es auch schön zu hören, dass Dir die Selbstständigkeit scheinbar deutlich besser gefällt und Du jetzt für Dich und Deine Ziele arbeitest.

  2. Ich kann das alles gut nachvollziehen. Auch in Österreich ist das nicht besser. Ich bin nebenberuflich selbstständig. Auch ich hatte und habe immer noch das Gefühl, dass die Bürokratie einem unnötig große Steine in den Weg legt. Leider wird es einem als Unternehmer echt nicht leicht gemacht, obwohl das Unternehmertum der Motor der Wirtschaft ist…

    Das mit dem Sicherheitsdenken habe ich leider noch drinnen. Ich verdiene nebenbei vergleichsweise nicht schlecht, traue mich aber noch nicht so ganz meinen Teilzeitjob zu kündigen.

    mfG Chri

    • Sparkojote sagt:

      Hallo Chri,

      Ich habe ebenfalls selbe Bedenken wie im Leserbrief und von dir erwähnt wurden. Ich werde vorerst meine Arbeitsstelle sicherlich behalten aber, mal schauen was sich nächstes Jahr alles ergibt.

      Gruss
      Thomas

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